Kann ich meinen Hund vegetarisch ernähren?
Dieser Artikel über die Möglichkeit der vegetarischen Ernährung eines Hundes ist ein Kooperationsbeitrag von der Biologie und Mathematik auf Lehramt Studentin und Fotografin Marie Walter.
Wir bedanken uns ganz herzlich für den ausführlichen Text.
Vegetarische und vegane Ernährung sind unter uns Menschen zunehmend verbreitet und werden immer mehr zum Trend. Viele Vegetarier und Veganer möchten nun auch ihren Hund vegetarisch ernähren und stellen sich die Frage, wie und ob das möglich ist.
Um zu entscheiden, ob man dem Hund damit etwas Gutes tut oder nicht, möchte ich die Ernährungsform aus biologischer Sicht erläutern.
Da die Ernährung dicht an die Verdauung gekoppelt ist, solltest du zunächst verstehen, wie die Verdauung ganz allgemein funktioniert.
Später erkläre ich dir welche Unterschiede zwischen Pflanzenfressern und Fleischfressern bestehen und zum Schluss ziehe ich ein Fazit.
Schema der Verdauungsorgane des Menschen
Wie funktioniert die Verdauung?
Bei jedem Säugetier begingt die Verdauung im Mund durch das mechanische Zerkleinern (Kauen = Masticatio) der Nahrungsbestandteile. Die Nahrung wird mit Speichel versetzt, der das Enzym Amylase enthält, das Kohlenhydrate (Stärke) und Glykogen spaltet. Der Speichel macht den Nahrungsbrei zudem rutsch fähig, sodass er durch die beim Menschen 25 cm lange Speiseröhre (Ösophagus) in den Magen gelangen kann.
Der Magen (Gaster) setzt die mechanische Zerkleinerung der Nahrung durch Kontraktionen fort. Das Enzym Pepsin spaltet nun die vorhandenen Eiweiße. Die im Magen vorhandene Salzsäure tötet Bakterien ab. Damit der Magen sich durch die Salzsäure nicht selbst verdaut, ist er mit einer Schutzschicht aus Schleimhaut geschützt, die sich jede Woche erneuert.
Bis hierhin wurden noch keine Nährstoffe vom Körper resorbiert (aufgenommen). Der Nahrungsbrei wurde zunächst nur zerkleinert, damit der Dünndarm (Intestinum tenue) diese nun resorbieren kann.
Zunächst gelangt der nun saure Nahrungsbrei in den ersten Abschnitt des Dünndarms, in den Zwölffingerdarm (Duodenum). In den Zwölffingerdarm münden die Verdauungsdrüsen Leber, Galle und die Bauchspeicheldrüse, die weitere Enzyme beisteuern, damit die Nahrung weiter zerkleinert werden kann. Der Nahrungsbrei wird dann in die weiteren Abschnitte des Dünndarms, in den Leerdarm (Jejunum) und den Krummdarm (Ileum) transportiert. Mit den Sekreten aus den Verdauungsdrüsen wird der saure Nahrungsbrei neutralisiert, bevor er weiter in den Dünndarm gelangt.
Der Dünndarm besitzt durch Faltung und Einstülpung eine stark vergrößerte Oberfläche, sodass er die Nährstoffe besonders effizient aufnehmen kann. Durch die Verdauungssäfte der Bauchspeicheldrüse wird der Nahrungsbrei weiter zerlegt und die Nährstoffe werden über das Blut, die Pfortader aufgenommen und zur Leber transportiert. Die Leber verarbeitet die Nährstoffe weiter und speichert sie. Bevor der Nahrungsbrei durch Peristaltik (Wellenartige Bewegungen gesteuert durch den peristaltischen Reflex) weiter in den Dickdarm geleitet wird, wird die Masse durch den Entzug von Flüssigkeit eingedickt.
Der Dickdarm (Intestinum crassum) fermentiert den Brei weiter, in dem er ihm weitere Flüssigkeit und Elektrolyte entzieht und diese dem Organismus über das Blut zuführt. Die Darmflora (diverse Bakterien und Mikroorganismen) unterstützen den Darm und sind von immenser Bedeutung für die Verdauung. Die Darmflora ist übrigens auch extrem wichtig für die Immunabwehr des Körpers, da hier krank machende Erreger abgetötet werden.
Pflanzenfresser (Herbivore) besitzen übrigens einen ausgeprägten Blinddarm (der ein Teil des Dickdarmes ist), der Bakterien enthält, die das Enzym Cellulase besitzen und somit Cellulose (Hauptbestandteil pflanzlicher Zellwände) verdauen können. Säugetiere besitzen diese Enzyme nicht und können diese auch nicht selber herstellen.
Bei Fleischfressern (Carnivore) ist der Blinddarm kaum ausgeprägt. Zum Schluss gelangt der Kot in den Mastdarm (Rektum), aus dem er über den After ausgeschieden wird.
Unterschiede bei der Verdauung von Carnivoren und Herbivoren
Beim Blinddarm sind wir schon über den ersten Unterschied im Verdauungstrakt zwischen Fleischfressern (Carnivoren) und Pflanzenfressern (Herbivoren) gestolpert. Man unterscheidet noch eine weitere Gruppe, die Allesfresser (Omnivoren), wie wir Menschen beispielsweise. Auf jene gehe ich an dieser Stelle allerdings nicht ein, da sie für diesen Vergleich irrelevant ist.
Abgesehen vom Blinddarm findet man noch einige andere Unterschiede. Fangen wir am Anfang an:
Der Mund, oder auch das Gebiss. Wer schon einmal z.B. einem Hund und einem Pferd ins Maul geschaut hat, wird vermutlich sehr schnell Unterschiede festgestellt haben.
Das Gebiss eines Pferdes und auch aller anderen Herbivoren zeichnet sich durch breite Schneidezähne, reduzierte oder fehlende Eckzähne und raue und platte Backenzähne aus. Das Kiefergelenk kann nicht nur eine Auf-Zu-Bewegung, wie das der Carnivoren, sondern auch eine mahlende Bewegung ausführen. Das benötigen Pflanzenfresser, um die pflanzliche Nahrung zu zerkleinern bzw. zu zermahlen. Da pflanzliche Nahrung extrem schwer verdaulich und nährstoffarm ist (Achtung, das bitte merken!), ist das gründliche Zerkleinern der Pflanzenbestandteile von großer Bedeutung. Im Gegensatz dazu ist Fleisch sehr leicht verdaulich und nährstoffreich.
Die Fleischnahrung muss nicht gründlich zerkleinert werden. Das können wir jeden Tag an unseren Hunden sehen. Sie schlingen und das ist normal!
Ebenso wird Barfern (das sind die Leute, die ihren Hund mit rohem Fleisch & Gemüsezusätzen ernähren, Barf = biologisch artgerechte Rohfütterung) geraten das Obst und Gemüse vorher zu kochen oder zu pürieren. Warum? Hunde und auch alle anderen Carnivoren können Rohfasern nicht verwerten, unter anderem da sie diese im Mund nicht ausreichend zerkleinern können. Jeder, der ein Pferd besitzt, kennt es. Wenn man z.B. einen Apfel füttert, ist dieser irgendwann nur noch breiig, ebenso Möhren. Gibt man einem Hund Apfel oder Möhre bröseln eher Stücke heraus. Es wird niemals breiig, weil ihre Zähne das nicht leisten können. Zudem besitzen sie einen nur schwach ausgeprägten Blinddarm und können Cellulose nicht spalten.
In der späteren Verdauung können daraus dann kaum Nährstoffe gezogen werden und die Pflanzenreste werden unverdaut wieder ausgeschieden. Aber Obst und Gemüse brauchen sie doch trotzdem, oder?
Schauen wir uns einmal an, was denn der gute, alte Wolf so macht. Er wird dem Bauern wohl kaum einen Salat klauen. Nein, er frisst den Mageninhalt seiner Beutetiere. Diese sind in der Regel Pflanzenfresser, also befindet sich im Magen vorverdaute pflanzliche Nahrung. Perfekt! Und genau das imitieren die Barfer, wenn sie Obst und Gemüse pürieren oder vorkochen.
Da Fleisch bedeutend nährstoffreicher ist, als pflanzliche Nahrung, müssen Carnivoren weniger fressen, als Herbivoren. Das Hundekind füttern wir ein- bis zweimal täglich. Herr Hase und Frau Pferd hingegen sollten im besten Falle 24 Stunden 7 Tage die Woche Futter zur Verfügung haben. Dies führt uns zum nächsten Unterschied.
Magen: Fresse ich den ganzen lieben Tag lang, brauche ich ganz schön viel Platz, um alles irgendwo aufzuheben. Eben darum ist der Magen eines Herbivors im Verhältnis deutlich größer, als der eines Carnivors. Lassen wir die Wiederkäuer mal außen vor, finden sich hier sonst kaum Unterschiede.
Interessant wird es im Darm. Der Darm eines Hundes ist in etwa siebenmal so lang, wie er selber. Der Darm eines Pferdes hingegen ist etwa 15 bis 20 Mal so lang, wie es selbst. Gehen wir mal von einem Pferd von 2 m Länge aus. Dann ist der Darm etwa 30 m (15 x 2 = 30) lang! Hui… ganz schön viel Darm. Aber wozu? Erinnern wir uns daran, dass im Darm die meisten Nährstoffe aufgenommen werden und pflanzliche Nahrung sehr nährstoffarm ist. Genau, viel Darm und somit sehr viel Oberfläche, die viel resorbieren kann. Zudem muss natürlich auch die ganze Menge an Futter durch den Darm durch.
Fressen wir den ganzen Tag, so verdauen wir auch den ganzen Tag. Das kostet Energie. Sehr viel Energie. Sogar mehr Energie als ein Carnivor aufwenden muss, um seine Beute zu jagen und zu erlegen. Darum haben sie für andere Dinge, beispielsweise für Gehirnleistung, deutlich weniger Energie zur Verfügung. Das erklärt, warum Carnivoren im Allgemeinen intelligenter sind, als Herbivoren.
Interessanterweise gibt es einige Studien zum Thema „Darm in Verbindung mit psychischen Krankheiten“. Man geht mittlerweile davon aus, dass einige psychische Krankheiten ihre Ursache im Darm haben. Das sollte nochmals verdeutlichen, wie wichtig ein reibungslos funktionierender Darmtrakt ist.
Kann ich meinen Hund vegetarisch ernähren?
Was passiert nun, wenn wir unseren lieben Hund rein vegetarisch ernähren?
Gehen wir mal vom Optimalfall aus, dass Frauchen oder Herrchen vorher alles schön kochen oder pürieren, ebenso werden Nährstoffe, die im Fleisch enthalten sind, anderweitig ersetzt.
Dennoch muss der Hund sehr viel pflanzliche Nahrung zu sich nehmen. D.h. er muss ebenso viel verdauen. Darauf ist sein gesamter Verdauungstrakt eigentlich nicht ausgelegt. Er steckt viel zu viel Energie in seinen Darm, die er an anderer Stelle benötigt und sein Darm ist viel zu kurz, um diese Arbeit so effizient wie bei Herbivoren verrichten zu können.
Abgeschlagenheit, Unkonzentriertheit und einige Krankheiten können die Folge sein. Kriegt der Hund sogar nur Rohkost, kommt noch eine starke Mangelernährung hinzu. Da Obst und Gemüse aufgrund seines Gebisses zu keinem Brei zerkleinert werden kann, können zudem die Magen- und Darmschleimhäute erheblich verletzt werden.
Trotzdem ist es möglich seinen Hund ohne Mangelerscheinungen vegetarisch zu ernähren. Ob man ihm damit etwas Gutes tut, sollte jeder Hundehalter für sich selber entscheiden – nicht zuletzt spielen häufig auch ethische Gründe für die Entscheidung einer vegetarischen Ernährung eine Rolle. Wenn du deinen Hund vegetarisch oder vegan ernähren möchtest, solltest du auf vegetarische oder vegane Alleinfuttermittel zurückgreifen oder dich von einem ausgebildeten Ernährungsberater beraten lassen.
Hiervon ausgenommen sind selbstverständlich Hunde, die aufgrund von Krankheiten oder Unverträglichkeiten vegetarisch ernährt werden (müssen).
Der Hund gilt als Omni-Carnivor, d.h. er frisst hauptsächlich Fleisch, wozu sein Raubtiergebiss auch ausgelegt ist, aber er frisst auch Gemüse und Kohlenhydrate. Im Laufe der Domestizierung hat sich die Verdauung des Hundes an die menschliche Ernährung angepasst. Eine Nahrungsanalyse, siehe Link, hat einen tierischen Anteil bei Hunden von 24 bis 53 % gezeigt.